Auch nach Ablauf der Widerspruchsfrist bestehen Möglichkeiten, gegen eine eingetragene Marke vorzugehen. Dies hängt von den Gründen und der konkreten rechtlichen Situation ab. Nachfolgend die verschiedenen Verfahren und Strategien, um gegen eine Marke vorzugehen:


1. Möglichkeiten nach Ablauf der Widerspruchsfrist

a) Antrag auf Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse

  • Grundlage: Die Marke hätte aufgrund absoluter Schutzhindernisse (§ 8 MarkenG) nicht eingetragen werden dürfen.
  • Typische Schutzhindernisse:
    • Fehlende Unterscheidungskraft.
    • Beschreibender Charakter (z. B. „Apfel“ für Obst).
    • Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder Täuschung.
  • Verfahren:
    1. Antrag beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) oder EUIPO.
    2. Prüfung durch das Amt (kein gerichtliches Verfahren erforderlich).
  • Dauer: Ca. 6–12 Monate.
  • Kosten:
    • DPMA: 400 €.
    • EUIPO: 630 € (bei Unionsmarken).

b) Antrag auf Löschung wegen Verfalls (Nichtbenutzung)

  • Grundlage: Eine eingetragene Marke wird gelöscht, wenn sie innerhalb von 5 Jahren nach Eintragung nicht benutzt wurde (§ 49 MarkenG, Art. 58 UMV).
  • Voraussetzungen:
    • Die Marke wurde im relevanten Zeitraum nicht ernsthaft benutzt.
    • Keine rechtfertigenden Gründe für die Nichtbenutzung.
  • Verfahren:
    1. Antrag auf Löschung beim DPMA/EUIPO.
    2. Markeninhaber muss die Benutzung nachweisen.
    3. Bei Nichtnachweis erfolgt die Löschung.
  • Dauer: 6–12 Monate (abhängig von der Komplexität).
  • Kosten:
    • DPMA: 100 €.
    • EUIPO: 1.630 € (bei Unionsmarken).

c) Antrag auf Löschung wegen Täuschung

  • Grundlage: Die Marke täuscht über die Art, Beschaffenheit oder geografische Herkunft der Waren/Dienstleistungen (§ 50 MarkenG).
  • Beispiele:
    • Eine Marke suggeriert eine falsche geografische Herkunft („Italienischer Kaffee“, der nicht aus Italien stammt).
  • Verfahren:
    • Antrag auf Löschung beim DPMA oder EUIPO.
    • Nachweis der Täuschung durch den Antragsteller.

d) Klage auf Nichtigkeit wegen relativer Schutzhindernisse

  • Grundlage: Die angegriffene Marke kollidiert mit älteren Rechten (z. B. älterer Marke, Unternehmensname, Urheberrecht).
  • Rechtsgrundlage: § 51 MarkenG (Deutschland), Art. 60 UMV (EU).
  • Typische Konflikte:
    • Ältere eingetragene Marken.
    • Ältere nicht eingetragene Marken, die in Verkehr gebracht wurden und Verkehrsgeltung genießen (§ 4 Nr. 2 MarkenG).
  • Verfahren:
    1. Antrag auf Nichtigkeit beim DPMA/EUIPO oder Klage vor einem Zivilgericht.
    2. Prüfung der Verwechslungsgefahr durch die zuständige Stelle.
  • Dauer: 12–24 Monate (je nach Instanz).
  • Kosten: Gerichtskosten, abhängig vom Streitwert (im Zivilverfahren).

e) Klage wegen Markenverletzung

  • Grundlage: Der Inhaber der angegriffenen Marke verletzt durch deren Nutzung ein bestehendes Recht (z. B. Namensrecht, Unternehmenskennzeichen).
  • Verfahren:
    • Klage auf Unterlassung und/oder Schadenersatz vor einem Zivilgericht.
    • Geltendmachung von Ansprüchen auf Grundlage des Markengesetzes (§ 14 MarkenG).
  • Dauer: 12–36 Monate (abhängig von der gerichtlichen Instanz).
  • Kosten: Abhängig vom Streitwert (Gerichts- und Anwaltskosten).

2. Strategien zur erfolgreichen Anfechtung

a) Beweissicherung

  • Ziel: Nachweise sammeln, die Schutzhindernisse oder Verstöße belegen.
  • Methoden:
    • Marktbeobachtung (Beweise für Nichtbenutzung).
    • Analyse von Werbematerialien, Verpackungen oder Geschäftsdokumenten (z. B. bei Täuschung).

b) Recherche nach älteren Rechten

  • Ziel: Identifikation von Rechten, die vor der eingetragenen Marke bestehen.
  • Methoden:
    • Markenrecherchen (national, EU-weit, international).
    • Überprüfung von Firmennamen, Domainnamen oder Urheberrechten.

c) Verhandlungen

  • Ziel: Konflikte außergerichtlich lösen.
  • Methoden:
    • Koexistenzvereinbarungen abschließen.
    • Einigung auf Lizenzierung oder Nutzungseinschränkungen.

3. Rolle von Markenanwälten

Vor der Anfechtung:

  1. Rechtsanalyse:
    • Prüfung der Erfolgsaussichten eines Löschungs- oder Nichtigkeitsantrags.
    • Identifikation der besten rechtlichen Grundlage für die Anfechtung.
  2. Recherche:
    • Durchführung von Identitäts- und Ähnlichkeitsrecherchen.
    • Prüfung der Benutzungsnachweise und älteren Rechte.

Während des Verfahrens:

  1. Antragstellung:
    • Vorbereitung und Einreichung von Löschungs- oder Nichtigkeitsanträgen.
  2. Vertretung:
    • Kommunikation mit Markenämtern und Vertretung in Gerichtsverfahren.
    • Beweissicherung und rechtliche Argumentation.

Nach dem Verfahren:

  1. Durchsetzung von Ansprüchen:
    • Unterstützung bei der Umsetzung von Löschungs- oder Unterlassungsansprüchen.
  2. Monitoring:
    • Überwachung, um zukünftige Konflikte mit neuen Marken zu vermeiden.

4. Praxisbeispiele

a) Löschung wegen Nichtbenutzung:

  • Fall: „Big Mac“ (EUIPO, Az. 000262549).
    • Ergebnis: McDonald’s konnte die Benutzung der Marke „Big Mac“ nicht ausreichend nachweisen. Die Marke wurde gelöscht.

b) Löschung wegen beschreibender Angaben:

  • Fall: „Post“ (BGH, Az. I ZB 43/14).
    • Ergebnis: Die Marke „Post“ wurde gelöscht, da sie als beschreibender Begriff keinen Markenschutz genießt.

c) Löschung wegen Täuschung:

  • Fall: „Neuschwanstein“ (EuGH, Az. C-488/16).
    • Ergebnis: Der EuGH entschied, dass die Marke „Neuschwanstein“ keine Verbraucher täuscht und daher bestehen bleiben kann.

5. Markenlöschung

Auch nach Ablauf der Widerspruchsfrist gibt es zahlreiche rechtliche Möglichkeiten, gegen eine Marke vorzugehen, insbesondere durch Löschungs- oder Nichtigkeitsverfahren. Die Wahl des geeigneten Ansatzes hängt von den konkreten Umständen ab. Markenanwälte spielen eine zentrale Rolle bei der Analyse, Vorbereitung und Durchsetzung solcher Maßnahmen und sorgen für eine effektive Wahrung der Interessen ihrer Mandanten.