BGH, Beschluss vom 28. Februar 2002 – I ZB 10/99 – Bundespatentgericht

Zur Frage der Unterscheidungskraft eines Wortes der deutschen Sprache (hier: Bonus), das einen weiten Bedeutungsumfang hat und deshalb unterschiedliche – wenn auch in eine ähnliche Richtung weisende – Bedeutungsvarianten aufweist, die nicht nur komplexe wirtschaftliche Vorgänge, sondern auch Vorgänge außerhalb des Bereichs der Wirtschaft betreffen, wobei auch eine Verwendung des Wortes im übertragenen Sinn in Betracht kommt.

Beschluss

in der Rechtsbeschwerdesache betreffend die Markenanmeldung B 85 758/5 Wz 5

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. * und die Richter *, Prof. Dr. *, Dr. * und Dr. * beschlossen:

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluß des 25. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 10. Dezember 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Mit ihrer am 22. Oktober 1988 eingegangenen Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung der Bezeichnung „BONUS“ in das Markenregister für die Waren „Chemische Erzeugnisse einschließlich solcher mit biologischen Grundstoffen für land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, zur Schädlingsbekämpfung, zur Bodenbehandlung und Vorratshaltung (sämtliche soweit in Klassen 1 und 5 enthalten); Desinfektionsmittel; Mittel zur Behandlung von Saatgut einschließlich Saatbeizmittel und Saatgutvergällungsmittel; Düngemittel, chemische Erzeugnisse zur Behandlung von Mangelkrankheiten bei Pflanzen, Wachstumsregulatoren; Mittel zur Vertilgung von Unkraut und schädlichen Tieren sowie chemische Erzeugnisse zum Schutz von pflanzlichen Erzeugnissen (Vorratsschutz), nämlich Mittel zur Bekämpfung von pflanzlichen, pilzlichen, tierischen und mikrobiellen Schädlingen; Insektenrepellents; veterinär-medizinische Erzeugnisse“.

Die Prüfungsstelle für Klasse 5 Wz des Deutschen Patentamts hat die Markenanmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen des Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses an der Bezeichnung für die angemeldeten Waren zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben (BPatG GRUR 1995, 737). Das Bundespatentgericht hat die Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 MarkenG für gegeben erachtet.

Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat diese Eintragungshindernisse für nicht gegeben erachtet und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung über die Frage der Unterscheidungskraft des angemeldeten Zeichens an das Bundespatentgericht zurückverwiesen (BGH, Beschl. v. 23.10.1997 – I ZB 18/95, GRUR 1998, 465 = WRP 1998, 492 – BONUS I).

Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde erneut zurückgewiesen (BPatG GRUR 1999, 740).

Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihren Eintragungsantrag weiter.

Das Bundespatentgericht hat die angemeldete Bezeichnung für nicht unterscheidungskräftig und deshalb von der Eintragung ausgeschlossen gehalten (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Dazu hat es ausgeführt:

Auf die vor dem Inkrafttreten des Markengesetzes angemeldete Marke seien grundsätzlich die Vorschriften des Markengesetzes anzuwenden. Eine Änderung der Rechtslage gegenüber dem Warenzeichengesetz in bezug auf die Beurteilung der Unterscheidungskraft ergebe sich daraus jedoch nicht. Zwar heiße es im Markengesetz nunmehr, daß Marken von der Eintragung ausgeschlossen seien, denen für die Waren und die Dienstleistungen „jegliche Unterscheidungskraft“ fehle. Das habe jedoch keine substantielle Rechtsänderung herbeigeführt.

Für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft eines Zeichens sei es nicht erforderlich, daß es sich dabei um eine warenbeschreibende Angabe handele. Ein ganz überwiegender und damit markenrechtlich nicht zu vernachlässigender Teil des angesprochenen Verkehrs werde in der Bezeichnung „BONUS“ auch im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren keinen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern lediglich einen bekannten allgemeinen Ausdruck und einen Sachhinweis sehen.

Zunächst sei das Wort „BONUS“ eine in der deutschen Geschäfts- und Handelssprache gebräuchliche beschreibende und allgemeinverständliche Angabe, die häufig und in ganz verschiedenen Zusammenhängen im Sinne von Zugabe, Gewinnanteil, Überschuß, Sondervergütung, Prämie, staatliche Beihilfe und Gutschrift verwendet werde. Darüber hinaus werde das Wort „BONUS“ im normalen Sprachgebrauch häufig im Sinne von Vorteil verwendet.

Dieser Sinngehalt von „BONUS“ sowohl als Fachterminus der Handels- und Wirtschaftssprache als auch in der wohl daraus entstandenen weiteren allgemeinen Bedeutung stehe der Eignung dieses Wortes zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung entgegen. Der mit den Waren der Anmeldung angesprochene Interessentenkreis werde das angemeldete Zeichen „BONUS“ ganz überwiegend als reine Anpreisung dahingehend verstehen, daß mit dem Erwerb der Waren irgendein Vorteil verbunden sei. Dies möge teilweise im Sinne einer Gutschrift, teilweise ganz allgemein im Sinne einer werbeüblichen Anpreisung verstanden werden. Das gelte nahezu für alle Waren- und Dienstleistungsbereiche. Auch für die mit der Anmeldung beanspruchten Waren des Pflanzen- und Vorratsschutzes seien keine Gründe für eine andere Beurteilung ersichtlich.

Dabei könne „BONUS“ zudem in wesentlich stärkerem Maße als andere allgemein nicht unterscheidungskräftige Wörter durchaus als Angabe eines Merkmals von Waren aufgefaßt werden. Denn im geschäftlichen Verkehr könne ein Bonus, also etwa ein Preisvorteil oder die Preiswürdigkeit einer Ware, als für die Kaufentscheidung gleichrangiges Kriterium neben Gesichtspunkte wie Qualität, Design, Haltbarkeit oder ähnliches treten. Auch wenn die angemeldete Bezeichnung in engen Grenzen unterschiedliche Deutungen zulasse, führe dies zu keiner anderen Beurteilung. Einerseits gingen alle denkbaren Bedeutungen in die Richtung, daß mit dem Erwerb der Waren irgendein Vorteil verbunden sei, andererseits würden die einzelnen Verkehrsbeteiligten je nach persönlichem Hintergrund und sachlichem Zusammenhang den Begriff in der einen engeren oder in der anderen allgemeineren Bedeutung verstehen, ohne daß aufgrund dieser begrifflichen Unschärfe bei einem erheblichen Anteil der Verkehrsbeteiligten der Gedanke an einen betrieblichen Herkunftshinweis aufkommen könne.

Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Annahme des Bundespatentgerichts, der angemeldeten Marke fehle die Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, das heißt, jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr.; BGH, Beschl. v. 5.7.2001 – I ZB 8/99, GRUR 2002, 261, 262 = WRP 2002, 91, 93 – AC, m.w.N.; vgl. auch EuGH GRUR 2001, 1145 = WRP 2001, 1276 – Baby-dry). Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist gegeben, wenn einer Marke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr.; BGH, Beschl. v. 22.9.1999 – I ZB 19/97, GRUR 2000, 231, 232 = WRP 2000, 95 – FÜNFER; Beschl. v. 23.11.2000 – I ZB 34/98, GRUR 2001, 735, 736 = WRP 2001, 692 – Test it.; GRUR 2002, 261, 262 – AC, jeweils m.w.N.; vgl. auch EuGH GRUR 2001, 1145 – Baby-dry). Diese (konkrete) Unterscheidungseignung kann der angemeldeten Marke für die in Betracht zu ziehenden Waren nicht abgesprochen werden. Das Bundespatentgericht hat bei seiner Beurteilung zu hohe rechtliche Anforderungen gestellt.

Einen im vorerwähnten Sinn beschreibenden Begriffsinhalt des Markenwortes für die in Frage stehenden Waren hat das Bundespatentgericht auch im jetzt angefochtenen Beschluß nicht festgestellt. Eine derartige Feststellung liegt insbesondere nicht in der Annahme des Bundespatentgerichts, daß im geschäftlichen Verkehr ein Bonus, also etwa ein Preisvorteil oder die Preiswürdigkeit einer Ware, als für die Kaufentscheidung gleichrangiges Kriterium neben Gesichtspunkte wie Qualität, Design, Haltbarkeit oder ähnliches treten könne. Auch dieser Erwägung kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht entnommen werden, daß es sich bei einem Bonus um ein Warenmerkmal handelt und nicht, wie der Senat bereits in seiner ersten Rechtsbeschwerdeentscheidung ausgeführt hat, um eine Angabe zu Vertriebsmodalitäten, nämlich um eine von der Ware selbst verschiedene Zusatzleistung. Irgendwie geartete Eigenschaften oder der Wert der Ware selbst (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) sind damit, entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts, nicht angesprochen.

Bei dem Markenwort handelt es sich aber – entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts – auch sonst nicht um ein im Sinne der zuvor zitierten Rechtsprechung gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Bundespatentgerichts ist das Wort „BONUS“ in der deutschen Geschäfts- und Handelssprache eine gebräuchliche Angabe, die häufig und in ganz verschiedenen Zusammenhängen im Sinne von Zugabe, Gewinnanteil, Überschuß, Sondervergütung, Prämie, staatliche Beihilfe und Gutschrift verwendet wird. Darüber hinaus wird das Wort im normalen Sprachgebrauch häufig im Sinne von Vorteil verwendet. Schon aus diesen komplexen Begriffsinhalten ergibt sich, daß das Wort Bonus – wie auch das Bundespatentgericht nicht verkannt hat – unterschiedliche Deutungen zuläßt. Zwar handelt es sich bei dem Wort nicht um ein Homonym, also ein Wort mit zwei (oder mehr) ganz unterschiedlichen Bedeutungen (z.B.: Birne, Ball, Bank). Vielmehr gehen alle denkbaren Bedeutungsinhalte nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Bundespatentgerichts in die Richtung, daß mit „Bonus“ ein irgendwie gearteter Vorteil bezeichnet wird. Dieser Bedeutungsumfang ist jedoch weit und erfaßt nicht nur komplexe wirtschaftliche Vorgänge unterschiedlicher Art, sondern auch Vorgänge im nicht wirtschaftlichen Bereich sowie auch eine Verwendung des Wortes in einem übertragenen Sinn. Schon diese unterschiedlichen Verständnismöglichkeiten schließen es aus, daß der Verkehr in beachtlichem Maß das Wort allein in einer dieser möglichen Bedeutungsvarianten versteht. Vielmehr ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, daß die mit den in Frage stehenden Waren angesprochenen Verkehrskreise – ohne in analysierender Betrachtung die Bedeutung zu ermitteln, in der das Wort Bonus möglicherweise verwendet wird – die angemeldete Marke als Herkunftsunterscheidung für die in Anspruch genommenen Waren verstehen.

Das Bundespatentgericht ist – wie schon im ersten Rechtsbeschwerdeverfahren ausgeführt – zutreffend davon ausgegangen, daß auf die Prüfung der vorliegenden Anmeldung ungeachtet deren früheren Zeitrangs die Vorschriften des Markengesetzes Anwendung finden (§ 152 MarkenG). Da eine Eintragung mit dem Zeitrang des Anmeldetages indessen, wie sich aus § 156 Abs. 1 MarkenG ergibt, nur in Betracht kommen kann, wenn der Eintragung nicht nach den bis zum Inkrafttreten des Markengesetzes geltenden Vorschriften von Amts wegen zu berücksichtigende Gründe entgegengestanden haben, hat sich die Prüfung auch auf den früheren Rechtszustand zu erstrecken.

Danach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.

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